Mittlere bis frische westliche Winde bei sommerlichen 23 Grad bescherten der 128. Kieler Woche im 140. Jahr am Sonnabend (18. Juni) einen Segelauftakt wie aus dem Bilderbuch. Auf sieben Bahnen plus der Aalregatta für seegehende Yachten nach Eckernförde wurden 42 Wettfahrten absolviert – kurz gesagt: das volle Programm.
„Das waren ideale Bedingungen, die kaum schöner hätten sein können“, jubilierte Organisationsleiter Dirk Ramhorst, „heute sind alle Seglerherzen höhergeschlagen.“ Am Mittag hatte er die Regatta zusammen mit Kiels Oberbürgermeister Ulf Kämpfer und Stadtpräsident Hans-Werner Tovar neben Düsseldorf Messe-Boss Wolfram N. Diener für den Premiumpartner boot und allen sechs deutschen Segelmedaillengewinnern von Olympia 2020/21 in Japan eröffnet. Parallel gingen zehn internationale Bootsklassen im ersten Teil der Kieler Woche (bis Dienstag, 21. Juni) an den Start.
Folkeboot Gold Cup
Mit einem fröhlichen Einmarsch unter Samba-Rhythmen zur Bühne im Olympiazentrum hatten die Folkeboot-Crews am Freitagabend ihren Gold Cup eröffnet, am Sonnabend zelebrierten sie bei karibischen Bedingungen ihre ersten beiden Wettfahrten. Auf Bahn Foxtrott vor dem Ostufer der Kieler Außenförde schenkten sich die Dreiercrews nach den Feierlichkeiten zuvor dann keinen Meter mehr. Schließlich gilt der Gold Cup als inoffizielle Weltmeisterschaft. Und die will der Däne Per Jørgensen mit seiner Mannschaft unbedingt verteidigen, muss aber nach dem Auftakttag mit dem vierten Platz hinter Jens Thurøe vorliebnehmen.
Die Deutschen halten sich noch zurück, so dass der Brite Simon Osgood als Fünfter für das beste nicht-dänische Ergebnis sorgt. Dabei hat sich der Sekretär der internationalen Klassenvereinigung vorher noch in Zurückhaltung geübt: „Ich weiß nicht, was für uns möglich ist. Wir gehen ohne Erwartungen in den Gold Cup. Vielleicht landen wir auch ganz weit hinten.“ Britisches Understatement in Reinkultur, denn beim vergangenen Gold Cup 2019 segelte er auch schon auf Platz fünf, und sein Vorschiffsmann Jamie Lea gewann gerade vor Kühlungsborn bei Klaus Diederichs an Bord den WM-Titel der Drachen. Zudem kennt Osgood das Kieler Revier. Beim vorigen Auftritt der Folkeboote zur Kieler Woche in 2018 segelte er auf Platz sechs.
29er Euro Cup
Unter den Kameraaugen von KielerWoche.TV standen die 29er-Skiffs im Blickpunkt, die dicht unter Land auch von tausenden Gästen im Olympiazentrum Schilksee gut zu beobachten waren. Punktgleich mit dem Kiwi-Duo eroberten die Rostocker Carl Krause und Max Georgi mit zwei Tagessiegen den zweiten Platz. „Drei Klasse-Rennen mit bis zu fünf Beaufort am Ende, besser ginge es kaum“, schwärmte der Zarnekauer Johann Sach vom ersten Tag. An der Vorschot seines Bruders Anton steigerten sich die Vorjahressieger von Rang fünf über drei zum Tagessieg und liegen in der Gesamtwertung nur zwei Zähler hinter der Spitze auf Rang sechs. „Unsere Starts waren gut, das war die Hauptsache“, so der 17-Jährige, „durch die vier Gruppen sind alle noch dicht beieinander.“
2.4mR
Der Erfolgshunger von Heiko Kröger (Hamburg) ist auch nach zwölf Siegen zur Kieler Woche noch nicht gestillt. Mit einem zweiten Platz und zwei Siegen legte der Paralympicssieger von 2000 einen starken Auftakt in die Regatten der Inklusionsklasse 2.4mR hin. Der 56-Jährige ist gerade Dritter bei der Europameisterschaft geworden und freute sich über den Auftritt in der Strander Bucht: „Für mich ist es das erste Mal in diesem Jahr, in Kiel zu segeln. Es ist immer wie nach Hause kommen. Die Bedingungen waren fast perfekt mit ein paar Drehern dicht unter Land.“ Wegen der Terminenge zur EM sei das Feld zwar nicht so groß wie sonst, aber „es sind Top-Segler dabei – und auch ein paar Neueinsteiger in die Klasse“, so Kröger.
Contender
Seinem Sieg-Hattrick von 2019 bis 2021 will der Däne Sören Dulong Andreasen gern den nächsten Erfolg vor Kiel folgen lassen. Doch es wird ein harter Kampf – vor allem mit seinem Landsmann Jesper Armbrust, der sich mit zwei Tagessiegen und einem achten Platz zunächst einmal vor Andreasen (4, 1, 4) an die Spitze setzte. „In der ersten Wettfahrt habe ich erst geführt, dann aber eine falsche Entscheidung getroffen und bin auf Platz acht zurückgefallen. Danach habe ich mich noch etwas vorgearbeitet. Das zweite Rennen konnte ich gewinnen, und in der dritten Wettfahrt bin ich am Start gekentert, musste dem Feld erst einmal hinterher hetzen“, bilanzierte Andreasen einen wechselhaften Tag.
„Aber ich mag es, hier zu segeln. Es ist nie einfach. Und selbst wenn man vorn ist, kann man seiner Sache nie sicher sein. Es ist wohl das schwierigste Revier, um eine Führung zu verteidigen. Das macht Kiel so spannend.“ Die Kieler Woche ist für ihn neben der Europameisterschaft auf dem Attersee in Österreich einer der Saison-Höhepunkte. Im Laufe der kommenden Tage können die Deutschen noch in den dänischen Zweikampf an der Spitze eingreifen. Der ehemalige Kieler Internatsschüler Eike Martens führt das Feld der Verfolger auf Rang drei an.
Europe
Mit einer dänischen Doppelführung und der Kielerin Marisa Roch auf Rang drei gehen die Europes aus dem ersten Tag. Spitzenreiter Casper Fink liefert sich ein enges Duell mit seinem Landsmann Simon Christoffersen. Trotz eines Ausrutschers in der zweiten Wettfahrt kann sich Marisa Roch derzeit knapp auf dem Bronzerang halten.
Flying Dutchman
Die stärksten „Fliegenden Holländer“ der vergangenen Jahrzehnte sind Ungarn: Szabolcs Majthényi/András Domoskos gewannen 14 WM-Titel seit 1994 – darunter im vergangenen Jahr. Kieler Woche-Siege haben sie sechs in der Liste stehen, und Nummer sieben scheint möglich. Es wird allerdings trotz der aktuellen Führung mit den Einzelplatzierungen 1, 4, 1 ein steiniger Weg. Denn mit den Vize-Weltmeistern Kay-Uwe Lüdtke/Kai Schäfers (Berlin/Arnsberg) sowie dem dänischen Olympiasieger von 1988, Jörgen Bojsen-Möller mit seinem Bruder Jacob an der Vorschot, liegen Top-Athleten in Lauerstellung. „Es sind alle guten Teams hier. Da muss man sehr konzentriert segeln. Fehler werden nicht verziehen, zumal die Wettfahrten heute extrem kurz waren“, so Majthényi, und Domoskos ergänzte: „Es waren sehr enge Rennen. Aber das sind wir gewohnt. In Kiel ist es immer hart.“
ILCA 4 und ILCA 6
Die beiden Nachwuchsklassen der olympischen Einhand-Disziplin sind international hart umkämpft. Während in der Einstiegsklasse, dem ILCA 4, Nanna Sofie Juell-Bergan vor Gudleik Berg-Kjöpsnes für eine norwegische Doppelführung vor Josephine Koep (Braunschweig) sorgen, ist bei den ILCA 6 die Rumänin Ebru Bolat top. Der Kieler Titelverteidiger Ole Schweckendiek muss sich hier derzeit auf Rang drei hinter Sverre Langaas-Holt (Norwegen) einreihen.
OK-Jolle
Die ersten drei Tagessiege und zweiten Plätze in der OK-Jolle haben der dänische Kieler Woche-Titelverteidiger Bo Petersen und der dreimalige Weltmeister André Budzien bisher unter sich ausgemacht – mit Vorteilen für den Schweriner. Budzien gewann nach Platz zwei zum Auftakt die beiden nächsten Rennen. „André ist schnell, aber ich bin auch sehr zufrieden mit dem Tag. Ich teste hier Segel und Mast für die Weltmeisterschaft. Heute bin ich ein bauchiges Segel gefahren und es lief gut“, so Petersen, der sich gern etwas längere Wettfahrten gewünscht hätte, um eventuelle Fehler ausgleichen zu können.
Wie sein dänischer Konkurrent blickt auch Budzien bereits in Richtung WM im August im schwedischen Marstrand. „Ich hoffe, dass ich auf jeden Fall um die Medaillen mitfahren kann.“ Vorher hat er aber noch seine andere Klasse im Blick. Zur Deutschen Meisterschaft der ehemals olympischen Finns geht er bei der Travemünder Woche an den Start.
Waszp
Die foilenden Waszp gingen spät am Nachmittag auf die Bahn, schafften dann aber noch alle drei geplanten Wettfahrten. Adrien-Paul Farien wurde auf seinem Heimatrevier mit drei ersten Plätzen seiner Favoritenrolle gerecht und wird in den kommenden Tagen wohl nur schwer aus dem Gelben Trikot zu vertreiben sein.
Alle Fotos: Kieler Woche/Klahn