Seit Anfang September läuft mit dem Golden Globe Race ein Retro-Rennen im Geist der Pioniere, das solo und nonstop um die Welt führt. Judith Duller-Mayrhofer war beim Start dabei und durfte sich auf der fast 50 Jahre alten Yacht des einzigen österreichischen Teilnehmers Michael Guggenberger ausgiebig umsehen.
Schulterklopfen, Umarmungen, aufmunternde Sprüche. Und Tränen, so viele Tränen. Ehefrauen und Elternteile weinen ebenso wie Teammitglieder und Vertreter der Sponsoren, manche verhalten, manche ungehemmt; der Emotionalität des Moments entziehen kann sich scheinbar niemand. Vor dem Liegeplatz von Pat Lawless, einem ebenso liebeswürdigen wie kauzigen Iren, der sich seine Brötchen bislang als Fischer verdient hat, steht eine junge, rothaarige Frau und spielt mit flinken Fingern auf einer Tin Whistle-Flöte. Die hell tönende, wehklagende Melodie wird weit über den Ponton geweht und verleiht der Szenerie etwas Unwirkliches. Und doch ist es Realität: In wenigen Stunden fällt vor Les Sables-d’Olonne der Startschuss zum Golden Globe Race und so heißt es endgültig Abschied nehmen von jenen, die an der Schwelle zu einer kaum fassbaren Aufgabe stehen. 15 Männer und eine Frau haben es sich zum Ziel gesetzt, auf Schiffen wie vor einem halben Jahrhundert solo-nonstop um die Welt zu segeln und dabei auf alle modernen technischen Hilfsmittel zu verzichten. Das Golden Globe Race (siehe auch Kasten auf Seite ??) orientiert sich an jener von der Sunday Times initiierten Regatta, die 1968 gestartet und 1969 von Robin Knox-Johnston gewonnen wurde; der Brite erreichte damals als einziger von neun Teilnehmern das Ziel. Heute ist Knox-Johnston 83 Jahre alt, körperlich wie mental in bester Verfassung – und höchstpersönlich in Les Sables vor Ort. Am Vortag stand er Medienvertretern bei einer Pressekonferenz im Race Village Rede und Antwort, jetzt lässt er es sich nicht nehmen, den Skippern einzeln fair winds zu wünschen. „Jeder, der dieses Rennen zu Ende bringt, ist ein Gewinner“, schärft er den Menschen ein, die in seinen Fußstapfen gehen wollen. Mit einem kräftigen Handschlag besiegelt er jeweils seine Aussage, dann wandert er weiter zum nächsten.
Bei der GGR-Premiere, die 2018/19 über die Bühne ging, durften sich allerdings nicht viele als Gewinner fühlen. Nur fünf von 17 Teilnehmern kamen ins Ziel – eine beunruhigend hohe Ausfallsquote, für die der Organisator, der Australier Don McIntyre, jede Menge Kritik hinnehmen musste. Ist es fahrlässig, veraltete kleine Langkieler zwischen 32 und 36 Fuß in den Southern Ocean zu schicken? Ohne elektronische Hilfsmittel, Wetterrouting und GPS?
Protagonist aus dem Alpenland
Keinesfalls, sagt Michael Guggenberger, der die Shakehands mit Legende Knox-Johnston bereits hinter sich hat, und schüttelt nachdrücklich seinen Kopf. Der einzige Österreicher im Feld verstaut auf seiner dottergelben Yacht gerade die allerletzten Einkäufe – Zitronen, Äpfel sowie zwei Flaschen Rosé – und kann es kaum erwarten, endlich in See zu stechen. Klar gäbe es Risken, aber die ließen sich durch gute Vorbereitung minimieren.
Und gut vorbereitet ist der 44-Jährige allemal. Das liegt auch daran, dass er über ein solides Budget verfügt, was wiederum der Tatsache zu verdanken ist, dass er einen Hauptsponsor gefunden hat. Oder besser gesagt vom Hauptsponsor gefunden wurde. „Ich habe im letzten Jahr über 120 Unternehmen angeschrieben, null Reaktion bekommen und war finanziell echt ausgeblutet“, erinnert sich Guggenberger nur zu gut. Doch im April 2022 – und damit quasi in letzter Minute – erreichte ihn ein Anruf, der alles ändern sollte. In der Leitung befand sich Jakob Glatz, ein begeisterter Segler, der das gleichnamige, in Handel und Produktion von Nahrungsmitteln tätige heimische Familienunternehmen in vierter Generation führt. Glatz besitzt unter anderem die Markenrechte für die kultige Sardinen-Dose Nuri sowie die dazugehörige Fabrik in Portugal und schlug eine Kooperation vor. Gemeinsamer Nenner: traditionelle Kulturtechniken und ehrliche Handarbeit. Das Sponsoring katapultierte den bis dahin vor sich hin darbenden Guggenberger in eine neue Dimension. „Ich konnte das stehende und laufende Gut austauschen und einen Satz Segel bestellen“, ist ihm die Freude über die unerwartete positive Wendung heute noch ins Gesicht geschrieben. Dank Nuri gibt es nun auf Nuri eine Rollreffanlage statt Stagreiter für die Genua, eine neue Kutterfock sowie Gennaker, Spinnaker und Code Zero, alle jeweils von Christian Binder passgenau geschneidert.
Titelfoto: Andre Rodrigues