Augenblicke entscheiden, wenige Meter machen den Unterschied. Trotz der für Segler unfassbaren Geschwindigkeiten und der imposanten Daten zu den verwendeten 75-Fuss-Ungetümern selbst, waren es vergleichsweise Wimpernschläge, die am heutigen, zweiten Tag zum 36. America’s Cup jeweils den Ausschlag über Sieg und Niederlage ausmachten.
Nur kurz zu Erinnerung: 75 Fuss lange, erstmals nach aerodynamischen Erkenntnissen gebaute Monohulls. Sechs Tonnen schwer und mit 26 Meter hohen Masten und 100%iger „Flugzeit“ während der rund 30 Minuten langen Rennen. Servus-TV-Experte und Doppelolympiasieger Hans Peter Steinacher bringt den bootstechnischen „Wahnsinn“ auf den Punkt:: Erstmals wurden Bootsrümpfe nach den Gesetzen des Luftwiderstandes und nicht der Hydrodynamik konstruiert. All das in erster Generation dieser „Klasse“ und dann werden die Rennen nach bester Seglermanier nur aufgrund der richtigen, intuitiven Entscheidungen in der Vor- und Nachstartphase entschieden. Was bedeutete das? Obwohl die Designteams bei Rumpf und Foils augenscheinlich unterschiedliche Wege eingeschlagen haben. Obwohl die beiden Cup-Teams gänzlich andere Vorbereitungswochen absolvierten. Trotz allem: Sie sind sich voll und ganz ebenbürtig und die zig-Millionen teuren Flug-Geräte eigentlich nahezu gleichwertig. Natürlich hat das eine wie das andere Team seine kleinen, spezifischen Vorteile. So zeigen sich die Italiener in den Manövern und vor allem bei leichterem Wind ganz leicht im Vorteil. Dafür sind die Kiwis auf dem Vorwind den Tick „besser“. Aber: Rennentscheidend sind diese Stärken im Setting nicht.
Der heutige Tag brachte leichten, pendelnden Wind. Und zwei fast diente Vorstartphasen. Die Italiener suchen die Position in Luv, die Neuseeländer wollen nach Lee. Beide Male kommen sie fast ident vom Start weg. Aber eben nur fast. In Rennen Nummer drei haltet sich Luna Rossa in Luv, unterwendet Spithill perfekt und serviert seinem Partner-Steuermann Francesco Bruni die Kiwis quasi am Silbertrablett. Bruni hält hoch, bringt die Neuseeländer voll in die Abwinde und zwingt sie nach kürzester Zeit zum Wegwenden. Die Neuseeländer werden gegen den Windrhythmus und in zwei Manöver mehr gezwungen. Das wars dann. Das Rennen war entschieden, die Italiener gingen erstmals in der Geschichte des Syndikats beim Cup in Führung.
Gleiche Ausgangsposition,
anderer Verlauf. Beim Start zu Wettfahrt 4 gelingt es Peter Burling seinen AC75 gleich beim Start in die sichere Leeposition zu bringen, damit geht das Spiel in die andere Richtung los. Beim ersten Luvgate sind die Italiener zwar mit nur wenigen Sekunden Rückstand noch scheinbar in Schlagdistanz. Ein Trugschluss, denn die Neuseeländer hatten die Wahl der Gate-Boje, fuhren damit auf die bessere Seite für den Vorwind und zogen auf und davon. Im Ziel betrug der Vorsprung rund eine Minute, der Ausgleich war geschafft. Ab jetzt geht es ohne Unterbrechung mit täglich zwei Rennen bis zur Entscheidung. Also bis ein Team sieben Siege eingefahren, nein, eingeflogen hat.
Nach zwei Tagen und vier Rennen steht es beim 26. America’s Cup 2:2. Aufstehen um 4h früh zahlt sich aus.
Alle Fotos: ACE / (c) Studio Borlenghi