Der „olympische Teil“ der 128. Auflage der Kieler Woche findet heuer – nachdem sie pandemiebedingt in den letzten beiden Jahren jeweils erst im September ausgetragen wurde – von 22. bis 26. Juni statt. Österreichs Nationalteam nimmt bei diesem Segelsportgroßereignisse mit neun Booten in vier olympischen Klassen teil.
Bildstein/Hussl wollen nach starkem Comeback nachlegen
Benjamin Bildstein und David Hussl haben vor zwei Wochen beim Weltcup vor Almere mit Rang drei ein starkes Comeback gefeiert. Für Kiel sind die Olympiazehnten von Tokio, die zuletzt im WM-Revier von 2023 in Den Haag trainierten, erneut zuversichtlich: „Wir freuen uns auf die Kieler Woche. Mit Rang drei bei unserem Comeback beim Weltcup vor Almere haben wir richtig gut hineingefunden in die Saison. Für Kiel mussten wir aber unser Material umstellen: Wegen Carbon-Strukturschäden waren wir gezwungen den Mast und damit auch die Fock zu wechseln“, berichtet Benjamin Bildstein, der trotz der Umstellung sehr optimistisch ist: „Die Veränderung haben wir kaum gespürt, es hat sich alles richtig gut angefühlt – und ich bin sogar der Meinung, dass wir seit dem Weltcup einen weiteren Schritt in unserer Performance gemacht haben.“
Die Regatta in Kiel ist für die beiden 30-Jährigen die letzte Standortbestimmung vor der Anfang Juli in Aarhus, Dänemark stattfindenden Europameisterschaft. „Kiel ist besonders bekannt für seine tückischen, drehenden und böigen Winde. Die wollen und müssen wir gut lesen. Das wird eine Challenge, aber auf die freuen wir uns schon. Wir wollen hier zunächst die Qualifikation überstehen, um dann in der Goldflotte zu attackieren, zu pushen – und dann am letzten Tag womöglich um die Medaillen mitzusegeln. Wir sind bereit, hier Gas zu geben“, sagt Vorschoter David Hussl. Die ehemaligen Weltranglistenersten werden bei dieser Regatta von ihrem Performance-Coach Paul Brotherton betreut.
Keanu Prettner und Jakob Flachberger sind nach kurzer Verletzungspause ebenfalls am Start. Die beiden 49er-Talente mussten das Marseille-Trainingslager im Mai wegen Jakob Flachbergers Verletzung der Patellasehnenspitze frühzeitig abbrechen und ließen auch den Weltcup vor Almere aus. „Bei mir läuft’s wieder, es wird nach und nach besser. Ich bin täglich bei meinem Physiotherapeuten in Behandlung und absolviere zum Segeltraining spezifische Ausgleichsübungen, um wieder völlige Fitness zu erlangen“, erklärt Jakob Flachberger. Mit Lukas Kammerer/Paul Ebenbichler und Niclas Lehmann/Niklas Haberl sind auch zwei weitere rot-weiß-rote Boote am Start.
Nacra 17-Duos suchen Vergleich mit starker Konkurrenz
Auch für die beiden österreichischen Nacra 17-Boote ist die Kieler Woche die letzte Standortbestimmung vor der Europameisterschaft in Dänemark. Sowohl Farese/Zöchling, als auch Haberl/Frank wollen nach ihren starken Leistungen in Almere nun auch in der absoluten Weltspitze – die besten Boote ließen den Weltcup in den Niederlanden aus – gute Leistungen zeigen. „Die Kieler Woche wird wieder besonders spannend, weil deutlich bessere Boote genannt haben als zuletzt in Almere. Aber für uns ist das eine sehr gute Gelegenheit zu sehen, wie gut wir uns in den letzten beiden Trainingswochen gesteigert haben. Kiel ist immer ein schwieriges Revier – aufgrund der drehenden und böigen Winde. Ich erwarte eher ein flaches Wasser, das sollte uns beim Up-Wind-Foilen auch entgegenkommen. Wir wollen die Regatta auch dazu nutzen, um in einem großen Feld neue Dinge auszuprobieren, um dann bestens vorbereitet in die anstehende Europameisterschaft in Aarhus und damit unsere erste Zielregatta 2022 zu gehen. Es soll in einer gewissen Art ein Testlauf sein, der uns den Feinschliff für die EM geben soll“, fasst Vorschoter Matthäus Zöchling zusammen.
Ähnlich sieht es auch Tanja Frank, die in den Niederlanden mit ihrem neuen Steuermann Lukas Haberl nur knapp das Podium verpasste: „Für uns wird es wichtig sein, uns mit den starken Teams zu vergleichen – viele Boote haben wir seit Hyeres nicht mehr gesehen. Und da war unser Up-Wind-Foilen noch nicht so gut. Deswegen ist es gut, diesen Vergleich jetzt zu bekommen, um zu sehen, wie weit wir uns in diesem Bereich verbessert haben. Und es ist auch als Vorbereitung für die gleich danach anstehende Europameisterschaft zu sehen.“
„Letztes hochwertige Kräftemessen“ auch für Vadlau/Mähr
Auch für Lara Vadlau und Lukas Mähr ist die Kieler Woche das letzte Kräftemessen mit der internationalen Konkurrenz vor den im Herbst stattfindenden Europa- und Weltmeisterschaften in der 470er-Klasse. „Die Kieler Woche ist traditionell sehr gut besetzt, auch diesmal steckt richtig viel Qualität im Teilnehmerfeld. Es wird mit Sicherheit eine spannende Regatta und definitiv wichtige Standortbestimmung, zumal es das letzte hochwertige Kräftemessen vor der Welt- und Europameisterschaft im September bzw. Oktober ist. Wir haben zuletzt sehr gut in Marseille trainiert und gearbeitet und werden sehen, ob wir uns im Regattamodus im Vergleich zu den letzten Weltcups verbessert können. Wichtig ist ein guter Start, wir wollen sofort unseren Rhythmus finden und Druck auf die Konkurrenz ausüben“, sagt die zweifache Weltmeisterin Lara Vadlau. Bei ihrem letzten Wettkampf vor Hyeres verpasste das für Olympia 2024 neuformierte OeSV-Duo nur knapp das Podium. Betreut wird das Gespann bei dieser Regatta vom Briten Luke Patience, der in seiner aktiven Karriere Olympiasilber (2012) und zwei Vize-Weltmeistertitel geholt hat. „Luke war über viele Jahre ein fixer Bestandteil der absoluten Weltspitze. Die Zusammenarbeit mit einem weiteren Top-Trainer auszutesten ist eine tolle Chance, die wir sehr dankbar annehmen“, ergänzt Vorschoter Lukas Mähr.
Wieder im Einsatz sind auch die 470er-Talente Rosa Donner/Sebastian Slivon. Die beiden Nachwuchsathleten konnten zuletzt aufgrund schulischer Verpflichtungen nur eingeschränkt trainieren, nutzen die Kieler Woche nun aber als Kick-Off für die anstehenden Junioren-Großevents im Sommer: „Für uns heißt es nun, so viele Wasserstunden wie möglich zu sammeln – dementsprechend ist unser Trainings- und Regattaplan für die nächsten Wochen auch sehr dicht. Die Kieler Woche ist unsere erste Regatta seit Palma. Wir werden den Fokus auf unsere Starts legen und versuchen, die Top-15 anzupeilen.“
Comeback von Schöfegger/Boustani
Laura Schöfegger und Anna Boustani geben bei der Kieler Woche ihr Comeback in der 49erFX-Klasse. „Die ersten Trainingsstunden hier sind besser verlaufen als erwartet. Natürlich merken wir, dass wir beide eine längere Pause am Boot hatten – aber es wird von Tag zu Tag besser“, sagt Laura Schöfegger, deren Bandscheibenverletzung nahezu ausgeheilt ist. „Meinem Rücken geht es so weit gut. Ich habe im Olympiazentrum Salzburg zuletzt verstärkt ‚segelspezifische‘ Belastungsübungen gemacht und hoffe, dass ich schmerzfrei bleibe“, berichtet Laura Schöfegger.
Während der ILCA 7-Athlet Clemens Kübber wegen einer Rippenverletzung fehlt, nehmen auch etliche Jugendsegler des Österreichischen Segel-Verbands teil, um bei diesem Großevent ihren Erfahrungsschatz zu erweitern. Mit Anton Messeritsch, Johanna Böckl (UYCWg) und Strahinja Simic (YCBb) sind drei rot-weiß-rote Talente in der offenen ILCA 6-Klasse am Start. Messeritsch liegt vor den letzten drei Rennen der Final-Series an hervorragender fünfter Stelle unter 116 Starter. In der 420er Klasse startet für den SCK Kammersee das Duo Truttenberger/Zimmermann, sowie Kogard/Kloiber (UYCWg) und Schmidt/Uebelhör (SCTWV).
Fotos: Candidate Sailing / Dominik Matesa